Die Entdeckung der Zweisamkeit

Gemischtes Tennis-Doppel erwartet fokussiert den gegnerischen Aufschlag
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Die Ent­de­ckung der Zwei­sam­keit

Doppel spielen im Tennis eine untergeordnete Rolle. Dabei besitzt das Spiel im Team eine ganz eigene Faszination.

Tennisspieler gelten oft als Egomanen. Und immer steht ein Netz zwischen den Kontrahenten. Erst wenn alles vorbei ist, berühren sich die Spieler beim Handshake am Netz. Über die Jahre gab es immer wieder große Duelle: McEnroe gegen Borg, Sampras gegen Agassi, Evert gegen Navratilova, Graf gegen Seles, Becker gegen Edberg oder Nadal gegen Federer. Spieler, die jeder kennt.

Joe Salisbury, Rajeev Ram oder Katerina Siniakova und Elise Mertens kennt kaum jemand. Sie führen die Männer- und Frauen-Weltranglisten im Doppel an. Auch die Deutschen sind mit stillen Helden gut vertreten: Kevin Krawietz, Tim Pütz, Andreas Mies belegen die Plätze 15, 16 und 21. Sportliche Weltklasse, die kaum jemand kennt.

Egal ob Einsteiger oder Profis: Das Tennisspiel im Doppel bietet noch mal eine ganz eigene Faszination. Andreas Mies, der mit Kevin Krawietz zweimal die French Open gewann, nennt im Interview mit Generali das Doppel „eine ganz eigene Sportart“. „Ich möchte dem Einzel absolut nicht seinen Wert absprechen. Man würde Äpfel mit Birnen vergleichen, wenn man Einzel und Doppel gegenüberstellt“, sagt er.
 
Zum einen ist das Doppel geselliger, vor, während und nach dem Spiel. Zum anderen ist das Spiel oftmals abwechslungsreicher. Im Einzel gibt es klassische Grundlinien- oder Netzspieler. Die Spieler gucken sich vorab die Schwächen aus und nageln die Gegner dann fest. So entstehen manchmal Spiele, die ausschließlich von Grundlinie zu Grundlinie gehen.

Im Doppel ist das nicht möglich. Die Partner verteilen sich ohnehin auf Grundlinie und Netz. Das bietet vielfältige taktische Variationen. Andreas Mies erklärt: „Im Gegensatz zum Einzel ist das Doppel taktischer, die Ballwechsel sind meist schneller und ein gutes Doppel kann hierdurch sogar spannender sein als ein Einzelmatch.“

Da die Aufschlagsspieler rotieren, muss auch jeder Spieler regelmäßig ans Netz. Überhaupt gelten die Spieler am Netz im Doppel als unterschätzt. Zum einen ist es natürlich leichter, am Netz direkt zum Punktabschluss zu kommen. Deshalb empfehlen Trainer Hobbyspielern, dichter ans Netz zu rücken, wenn der Ball beim Gegner ist. Darüber hinaus können die Spieler am Netz auch das Spiel steuern und lenken, indem sie Wege zustellen oder bewusst Räume anbieten.

Die allermeisten Doppelspieler starten als Einzelspieler. Der deutsche Doppel-Profi Tim Pütz erklärte einmal, seine Karriere sei typisch. Irgendwann habe er gemerkt, dass es im Einzel nicht für ganz vorne reiche. Im Doppel feierte er dagegen Erfolge.

Im Einzel reichte es als beste Platzierung für Platz 163 der Weltrangliste. Im Doppel ging es im März 2022 hoch auf den neunten Rang. Insgesamt sieben Titel konnte Tim Pütz schon erzielen. Zuletzt fand er im Neuseeländer Michael Venus seinen kongenialen Partner. Pütz kennt ihn aus den USA, wo er zwischen 2008 und 2012 studierte, Venus studierte an einem benachbarten College. Sie wurden beide Einzelprofis und entschlossen sich Jahre später, gemeinsam ihr Glück zu versuchen. Als sie merkten, dass es im Doppel bei beiden besser klappte und sie auf ähnlichen Weltrangplätzen lagen.

Ein rein deutsches Duo sind Andreas Mies und Kevin Krawietz, die gemeinsam bereits zweimal die French Open gewannen. Als Andreas Mies eine Zeitlang verletzt ausfiel, spielte Krawietz auch mal mit seinem Landsmann Tim Pütz. Dann kehrte er wieder zu Andreas Mies zurück, mit dem er auch befreundet ist. „Mit Kevin verstehe ich mich zusätzlich auch neben dem Court super, es ist bei uns keine reine Business-Beziehung“, erklärt Andreas Mies.

In all den Jahren gab es nie einen großen Streit, auch weil sie wissen, wann sie sich aus dem Weg gehen müssen. Auf dem Platz ist das nicht möglich. Da ist Harmonie gefragt, emotional, aber auch im Spielverständnis. Für Doppelspieler ist es wichtig, dass sie ungefähr auf einem Level spielen und nicht einer schnell beim Gegner als Schwachpunkt gilt.

Die Schwächen des Mitspielers sollte man aber auch gut kenne und offen mit ihnen umgehen. So lassen sich bestimmte Spielsituationen im Spiel gemeinsam vermeiden. Und so beginnt keine Schuldzuweisung, die in einem Teamsport toxisch sein kann.

Wenn das Teamwork gelingt, ist das Doppelspiel vielleicht sogar die komplexere Art des Tennis. Denn sie bringt neben dem Sport und dem Psychospiel mit dem Gegner eben noch die Ebene des Teamworks hinein. Das Doppel eignet sich auch für Einsteiger, um mit mehreren Spielern zu spielen und neue Menschen kennenzulernen.

Und so gab es immer schon legendäre Doppelspieler, die im Einzel kaum auffielen. Eric Jelen, Andreas Maurer und Patrik Kühnen zum Beispiel ermöglichten es erst, dass Boris Becker und Michael Stich dreimal den Davis Cup gewinnen konnten: 1988, 1989, 1993. Michael Stich und Patrik Kühnen schlugen 1993 im Davis-Cup-Finale die damals als unschlagbar geltenden Woodbridge und Woodforde. Passend, dass Stich und Kühnen zuletzt bei der Players Party der BMW Open das Doppel Kevin Krawietz und Andreas Mies mit dem Iphitos-Award auszeichneten.