Rundum-Schutz
Dr. Melanie Kramp ist seit August vergangenen Jahres Chief Customer Officer der Generali Deutschland AG. Ihre Führungslaufbahn bei der Generali begann 2011 in der Unternehmensentwicklung der CosmosDirekt Lebensversicherungs AG und hat sie seither in verschiedene Funktionen im Konzern geführt. Im Interview verrät sie uns, warum sie den einfacheren Weg in eine Unternehmensführung ablehnte und weshalb sie Karrierewege lieber mit einem Klettergerüst als mit einer Leiter vergleicht.
Liebe Melanie, in den vergangenen zwei Jahren ist bei Dir viel passiert. Der Wechsel von der Cosmos zur Generali als Leiterin der Kundenservice-Direktion Stuttgart, Anfang 2023 die Berufung in die Vorstände der Generali Deutschland Versicherung und der Dialog Versicherung, im August dann auch in den Vorstand der Generali Deutschland AG (GD). Wie kam es dazu?
In allen Facetten kann ich das gar nicht beantworten. Es hat sich vieles parallel entwickelt und sich einfach richtig angefühlt. Nachdem Stefan Lehmann Anfang 2022 den Bereich Chief Business Officer Exklusive (CBO-E) übernommen hatte, ging es um Verstärkung für sein Team – unter anderem war die Kundenservice-Direktion (KD) Stuttgart neu zu besetzen. Gleichzeitig hatte ich mit meinen Kollegen und Kolleginnen in Saarbrücken einen wichtigen Meilenstein in der Transformation erreicht und fragte mich gerade, in welchen Themen und Herausforderungen ich mich persönlich bestmöglich einbringen kann.
Wir kannten uns auch bereits aus den Rollen bei der Cosmos, und die Stränge haben sich zusammengefügt. Im Fazit einfach eine gute Mischung aus Offenheit für Neues und einem Bedarf, der sich aufgetan hat.
Was dann im Einzelnen alles passierte, kann ich in der Kürze der Zeit gar nicht erklären. Ich habe mich so gut ich konnte eingebracht, wo es gerade wichtig war – neben der Linienfunktion in der KD auch in Projekten und im Geschäftsfeld Firmenkunden, das wir deutlich ausbauen wollen.
Dass ich nun die Chance bekam, als Chief Customer Officer unter anderem im GD-Vorstand zu wirken, hat mich natürlich sehr gefreut. Ich sehe das als große Wertschätzung. Gleichzeitig ist eine große Verantwortung damit verbunden, vor der ich erheblichen Respekt habe.
Du bist nach deinem Studium direkt als Führungskraft durchgestartet und seitdem ja immer in einer Führungsposition. War das für dich von Anfang an klar, dass du in diese Richtung gehen möchtest?
Bei mir war tatsächlich der Weg in Richtung Führung sehr früh klar. Das hat einen persönlichen Hintergrund. Mein Vater war Unternehmer, ich bin ein Einzelkind. Mein Plan war schon als Schülerin, später das Familienunternehmen im Maschinenbau zu übernehmen. Darauf habe ich schon meine Abi-Schwerpunkte und das Studium ausgerichtet.
Ich wollte aber nicht sofort in den Betrieb mit der einzigen Legitimation für die Aufgabe einsteigen, dass ich die „Tochter des Chefs“ bin. Es war mir wichtig, eigene Erfahrungen zu sammeln, mich selbst zu beweisen. Zum einen mit der Promotion als ganz persönliche Errungenschaft und zum anderen mit eigenen Erfahrungen aus „dem echten Leben“.
Wenn ich ganz ehrlich bin, war mein Einstieg in die Versicherungsbranche nicht für die Ewigkeit gedacht. Ich bin immer gern in neue Themen eingetaucht und mir erschien eine völlig andere Branche als Bereicherung auf meinem Weg. Eine Stellenausschreibung der Cosmos hat mich angesprochen. Ich habe angerufen und in kürzester Zeit war alles klar. Nach ein paar Jahren sollte es dann planmäßig ins vertraute Umfeld zurück in das Familienunternehmen gehen. So kam es aber ganz offensichtlich nicht. (lacht)
Und bevor sich jetzt Einige fragen, wann es so weit ist: Mein Vater ist seit Jahren in Rente, und wir haben uns als Familie darauf verständigt die Nachfolge des Unternehmens anders zu regeln. Wie man so schön sagt: Ich habe mich nicht gegen das Familienunternehmen, sondern für die Generali entschieden. Es kam also ganz anders als geplant – und es ist gut so, wie es ist. Mein Vater hat mich bei dieser Entscheidung auch voll und ganz unterstützt, was nicht selbstverständlich ist.
Was waren denn deine Hürden auf dem Weg und was hat dir geholfen?
Hürden gab es jede Menge. Ich erinnere mich beispielsweise noch gut an den Einstieg. Ich kannte weder das Unternehmen noch die Branche, verstand die ganzen Abkürzungen nicht und bin direkt als Führungskraft eingestiegen. Da musste ich mir schon erstmal einiges erarbeiten – inhaltlich und auch die Akzeptanz meines Teams. Das war anstrengend und schwierig, aber auch sehr lehrreich.
Und auch später bin ich über so viele Themen gestolpert, bei denen ich dachte „Ach herrje. Das Problem kann es also auch geben?“ Es gibt immer Überraschungen, und einen Führungsjob darf man nur machen, wenn man das als gesunde Herausforderung sieht. Es wird nie langweilig, und es kommt selten Routine auf, die einen auch nachlässig werden lässt. Bei ganz neuen Themen fängt man gefühlt wieder von vorne an – aber das Gute ist, dass man dazu lernt, wie man es angeht.
Welche Ziele und Visionen hast du denn für deine aktuelle Rolle? Gibt es vielleicht auch Initiativen oder Projekte, an denen du unbedingt noch arbeiten möchtest?
Ja, die gibt es! Es wäre falsch, nach ein paar Monaten zu sagen „Ich habe alles durchdrungen – jetzt legen wir los und machen alles neu“.
Zum Start ist erstmal ein gutes und funktionierendes Team wichtig. Im CCO-Team sind einige Kolleginnen und Kollegen, die jede Menge Erfahrung in ihren Themen mitbringen und auch solche, die in neuen Funktionen sind und einen anderen Blickwinkel reinbringen. Im Zusammenhang mit der Aufstellung des Ressorts haben wir erste Einblicke gegeben, wo wir Schwerpunkte setzen. Dabei ist es mir wichtig, die Vertriebswege dort näher zusammenzubringen, wo es uns hilft, in Summe schneller voranzukommen. Ich habe in vorangegangenen Rollen einen ganz guten Überblick bekommen und Themen entdeckt, bei denen ich Potential sehe, es gemeinsam anzugehen. Daran werden wir jetzt konsequent arbeiten.
Wie bei jeder Veränderung sind viele Basics zu tun: Es muss klar sein, wer was tut und wie die Zusammenarbeit funktioniert. Dabei dürfen wir uns aber nicht zu viel mit uns selbst beschäftigen. Es gilt pragmatisch zu sein und die ganz klaren inhaltlichen Themen zu lösen: Stabilität in den Service bringen, unseren Kunden und Vertrieben moderne digitale Lösungen anbieten. Da gibt es mehr als genug zu tun.
Hast du denn einen Ratschlag für aufstrebende Kolleginnen und Kollegen, die generell ihre berufliche Entwicklung vorantreiben möchten?
Sogar zwei, die zumindest für mich ganz persönlich hilfreich sind:
Hast du vielleicht auch selbst ein Vorbild, das dich inspiriert und motiviert hat oder dies noch tut?
Nicht das eine. Ich habe keine konkrete Person vor Augen, bei der ich immer dachte, dass ich so auch sein möchte. Ich habe mich aber sicher auch daran orientiert, was andere machen. „Was finde ich davon gut?“, aber auch „Was finde ich davon schlecht?“. Auch aus negativen Erlebnissen kann man vieles ziehen – gerade zum Thema Führung und Zusammenarbeit.
Was ich immer bewusst betrachtet habe, waren Menschen, die stark sind, wenn Sie im Rampenlicht stehen, und das genießen können. Ich bin kein Mensch, der von Geburt an für die Bühne geschaffen ist. In der Schule habe ich es gar nicht gemocht, Theater zu spielen oder ein Referat zu halten. Und selbst im Studium hätte ich das lieber ausgeblendet. Das war für mich ein Handlungsfeld. Durch jeden Schritt, den ich dann in meiner bisherigen Karriere gemacht habe, stand ich etwas mehr im Fokus. Also ist es wichtig zu verstehen, was andere daraus ziehen und welche Möglichkeiten es gibt, sich so vorzubereiten, dass man sich dabei besser fühlt. Mir hat das geholfen. Heute ist es für mich eine tolle Erfahrung vor Menschen zu stehen – und ein klein wenig Aufregung tut auch gut dabei.
Die Generali Deutschland macht ja schon viel in Richtung Women-Empowerment, und unser Management wird ja auch immer diverser, aber wenn du jetzt ad-hoc noch etwas ändern könntest, was wäre das?
Ich möchte noch stärker Rahmenbedingungen und Kultur schaffen und Neues austesten – beispielsweise was Arbeitsmodelle angeht – die zu verschiedenen Lebensphasen passen. Ich wünsche mir, dass wir noch bessere Lösungen finden, wie man zum Beispiel in und nach der Elternzeit beruflich vorankommen kann. Unter anderem finde ich Job Sharing-Modelle spannend, die in anderen Ländern viel verbreiteter sind als in Deutschland. Das bringt aber auch neue Herausforderungen mit, die es zu lösen gilt Und es gibt ja auch nicht nur den einen Grund, weshalb das Privatleben temporär mehr Raum einnimmt. Die Themen sind hier sehr vielfältig. Es ist meiner Meinung nach wichtig, gemeinsam an Flexibilität und Lösungsvarianten zu arbeiten, um insbesondere Frauen den Weg für ihre Karriere zu ebnen.
Liebe Melanie, vielen Dank für deine Offenheit und die spannenden Eindrücke.