Rundum-Schutz
Der Kiefer knackt und der Nacken ist verspannt – ein Gefühl, mit dem viele Menschen morgens aufwachen. Und der Grund, weshalb sich immer mehr zum Schlafen eine Schiene gegen Zähneknirschen einsetzen. Dass Knirschen Verspannungen und Kopfschmerzen auslösen kann, hat fast jeder schon einmal gehört. Was weniger bekannt ist: Auch andere Zahnprobleme können sich negativ auf den Rest des Körpers auswirken.
Prof. Dr. Thomas Attin ist Direktor der Klinik für Zahnerhaltung und Präventivmedizin in Zürich. Er hat uns erklärt, welchen Einfluss die Gesundheit unserer Zähne auf die unseres Körpers hat und warum Zahnfleisch-Entzündungen dabei eine große Rolle spielen. Welche Tipps Prof. Dr. Attin uns dazu gibt, liest du hier:
Probleme mit den Zähnen
Karies ist nach wie vor die Nummer eins der Zahnkrankheiten in Deutschland. Sie und Zahnfleischentzündungen, die sogenannte Gingivitis, entstehen bei mangelnder Zahnhygiene. Eine von der Zahnhygiene unabhängige Erkrankung ist die Zahnerosion. Dabei handelt es sich um die Zerstörung der Zahnsubstanz – ausgelöst durch den Genuss säurehaltiger Lebensmittel wie Soft- oder Energydrinks, aber auch durch regelmäßiges Sodbrennen. Diese Erkrankungen sind vom Zahnarzt gut zu behandeln und haben meist auch nur bedingt Folgen für unsere allgemeine Gesundheit. Die schlimmeren Auswirkungen auf den Körper hat die Parodontitis.
Was ist eine Parodontitis?
Parodontitis ist eine Entzündung des Zahnhalteapparats. Das ist das Gewebe um den Zahn herum. „Eine Parodontitis ist eine überschießende Immunreaktion des Körpers“, erklärt Prof. Dr. Attin. Möchte der Körper unerwünschte Bakterien im Mund abwehren, sind Entzündungen des Zahnfleischs die Folge. Im Unterschied zur Gingivitis greift die Parodontitis allerdings den Knochen an, in den die Zähne eingebettet sind. So entstehen sogenannte Zahnfleischtaschen um den Zahn herum. In denen sammeln sich Bakterien, die dann die weitere Entzündung auslösen und dadurch den Zahnhalteapparat schädigen.
Vom Mund in den ganzen Körper – Auswirkungen einer Parodontitis
Die Bakterien einer Parodontitis und auch die Entzündungsreaktion bleiben nicht auf den Mund beschränkt. Stattdessen gelangt beides über den Blutkreislauf in den ganzen Körper und kann dort immensen Schaden anrichten. Man kann also sagen:
(Prof. Dr. Attin)
So haben Experten herausgefunden, dass es sogar eine Verbindung zwischen Parodontitis und Alzheimer gibt. Bei Alzheimer kommt es zu entzündlich bedingten Ablagerungen im Gehirn, wodurch Nervenzellen absterben. Diese sogenannte Neurodegeneration kann von parodontalen Bakterien eingeleitet werden.
Zudem können sie auch Entzündungen der Gefäße auslösen. Folgen davon können verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein, wie Bluthochdruck, Verkalkung der Arterien, Störungen bei der Durchblutung von Armen und Beinen, bis hin zum Herzinfarkt.
Bei Schwangeren kann eine Parodontitis sogar zu einer Frühgeburt führen. Grund dafür ist, dass die Bakterien und die von ihnen ausgelösten Entzündungsmediatoren über den Blutkreislauf in die Gebärmutter gelangen und so eine verfrühte Geburt auslösen können.
Außerdem können die Bakterien bei Menschen mit einem schwachen Immunsystem oder bei bettlägerigen Menschen unter anderem Lungenentzündungen verursachen.
Aus diesem Grund sollten diese Personengruppen besonders auf eine ausreichende Mundhygiene achten und frühestmöglich zum Zahnarzt gehen, um eine mögliche Parodontitis auszuschließen oder zu behandeln.
Diabetes – eine Beziehung der besonderen Art
Es gibt eine Krankheit, die auf Parodontitis eine besondere Wirkung hat: Diabetes. Denn im Gegensatz zu Bluthochdruck, Alzheimer etc. beeinflussen die beiden Krankheiten sich gegenseitig. „Das geht in beide Richtungen“, erklärt der Experte. „Eine mangelnde Zahnhygiene kann Diabetes fördern. Und haben Sie Diabetes, kriegen Sie schneller Parodontitis.“ Aber wie funktioniert das? Die Bakterien, die durch eine Parodontitis in den Blutkreislauf gelangen, hemmen das wichtige Hormon Insulin. Bei Diabetes wiederum werden Entzündungsbakterien freigesetzt, die eine Parodontitis verstärken.
Die beiden Krankheiten beeinflussen sich aber auch bei der Genesung. So wurde nachgewiesen: Verbessert sich die Parodontitis, tut das meistens auch der Diabetes. Und verbessern sich die Blutzuckerwerte eines Diabetes-Patienten, hat das eine heilende Auswirkung auf dessen erkranktes Zahnfleisch.
So erkennst du eine Parodontitis
Die Behandlung einer Parodontitis ist kompliziert – besonders, wenn sie bereits fortgeschritten ist. Deshalb solltest du bei diesen Symptomen schnell deinen Zahnarzt aufsuchen:
Zahnfleischbluten:
Stimmt etwas mit deinem Zahnfleisch nicht, erkennst du das am einfachsten an Zahnfleischbluten. Normalerweise geht das nach ein paar Tagen und konzentrierterem Zähneputzen wieder weg. Bei einer Parodontitis allerdings nicht.
Mundgeruch:
Wehrt der Körper unerwünschte Bakterien mit einer Zahnfleischentzündung ab, kommt es durch den entstehenden Eiter zu einem etwas süßlichen Mundgeruch, der sich auch nicht wegputzen lässt.
Gelockerte Zähne:
Bei einer weit fortgeschrittenen Parodontitis ist der Zahnhalteapparat so beschädigt, dass sich sogar Zähne lockern können.
Viele Zahnprobleme erkennt man an Zahn- oder Zahnfleischschmerzen. Bei einer Parodontitis treten Schmerzen allerdings oft kaum bis gar nicht auf. Deshalb ist es wichtig, die anderen Symptome ernst zu nehmen und bereits früher als sonst zum Zahnarzt zu gehen.
Tipps vom Zahnarzt
Zum Glück kannst du Parodontitis und anderen Zahnkrankheiten durch die richtige Zahnhygiene vorbeugen. Und die sieht laut Prof. Dr. Attin so aus:
(Prof. Dr. Attin)
Prof. Dr. Thomas Attin beschäftigt sich mit der Zahnerhaltung. Dabei liegt sein Schwerpunkt auf der Präventivmedizin (Vorbeugung) und Kariologie (Erkrankungen der Zahnsubstanzen). Im Jahr 2000 wurde er zum Professor für Zahnerhaltung, Präventive Zahnheilkunde und Parodontologie der Georg-August-Universität Göttingen ernannt. Seit 2006 ist er Professor an der Universität Zürich und Direktor der dortigen Klinik für Zahnerhaltung und Präventivmedizin. In seinem Fachgebiet hat er über 540 Publikationen veröffentlicht und 28 wissenschaftliche Preise und Auszeichnungen erhalten.