Rundum-Schutz
Hannah Peters ist schnell. Zu schnell für unser Drehteam. Am Olympiastützpunkt von Bochum können wir nicht mit einer Drohne drehen, also haben wir die Kamera auf ein E-Bike geschnallt, um Hannah beim Laufen zu filmen. Sie schießt aus den Startblöcken und hängt uns ab, ehe wir in Fahrt kommen. Noch einmal. Sie gibt uns Vorsprung, dann geht es.
Hannah Peters macht Siebenkampf. Für alle Leichtathleten ist der Mehrkampf die Königsdisziplin. Als wir danach fragen, lacht sie verlegen-freudig auf. „Siebenkämpfer sind die Besten von den Besten.“ Hannah Peters gehört dazu. Die Dreiundzwanzigjährige aus dem Ruhrgebiet ist in allen sieben Sportarten gut, die ganz unterschiedliche Begabungen und körperliche Fähigkeiten erfordern. Im Wettkampf werden am ersten Tag 100 Meter Hürden gelaufen, dann kommt Hochsprung, es folgt das Kugelstoßen, zum Schluss 200 Meter Sprint. Der zweite Wettkampftag beginnt mit Weitsprung, danach ist Speerwerfen dran, die letzten Punkte werden beim Lauf über die 800-Meter-Distanz geholt.
„Mir hat einfach diese Vielseitigkeit schon immer viel Spaß gemacht. Man muss einerseits eine gute Ausdauer haben, man muss schnell sein, gute Sprungkraft haben und gut werfen können.“
Dass Hannah diese Potenziale hat, erkannte ihre Sportlehrerin bei den Bundesjugendspielen. So wechselte sie von Volleyball zur Leichtathletik, auch weil sie sich in den Einzelsportarten wohler fühlte als in der Mannschaft. Und weil jeder in ihrer Familie läuft, wirft oder sprintet.
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Mehrkampf bedeutete für Hannah: jeden Tag trainieren, jeden Tag etwas anderes. Und es heißt, zumal wenn es in einen Wettkampf geht, blitzartig regenerieren, körperlich und mental. „Mehrkampf ist körperlich sehr, sehr anstrengend“, sagt Hannah, „und natürlich auch mental. Man muss die eine Disziplin vergessen, sich auf die neue einstellen, auf wenn es mal nicht so gut lief. Abschalten, den Fokus auf die neue Disziplin legen.“
Wie macht Hannah das? „Zwischendurch mal in eine Banane reinbeißen, einen Schluck trinken, und dann geht es aber auch zack schon wieder zum Hochsprung.“ Da heißt es Sprung für Sprung, Konzentration aufbauen. „Aber auch nicht so viel, weil man ja auch bedenken muss, dass man noch danach noch fünf weitere Disziplin hat. Und wenn es nicht so gut für sie läuft, muss sie die Enttäuschung schnell abhaken.
Die dichte Frequenz von Raushauen und Regenerieren ist bei Hannah Peters Tagesprogramm. Obendrein bewältigt sie etwas wie eine achte Disziplin: Sie ist von Geburt an gehörlos und trägt seit dem Kleinkindalter ein Cochlea-Implantat. „Es ist hartes Training. Man muss viel dafür arbeiten, dass man so gut hört wie ich.“
In der Welt der Hörenden ist sie aufgewachsen, in die der Gehörlosen hineingewachsen. 2019 wurde sie durch die Leichtathletik-EM der Gehörlosen in Bochum auf diese Sparte aufmerksam. Schnell merkte sie, dass sie alle Normen für den Kader der Nationalmannschaft im Deutschen Gehörlosen-Sportverband erfüllt. „Es war total ungewohnt, denn ich kann ja hören.“ Bei der Weltmeisterschaft 2021 im polnischen Lublin holte sie die Bronzemedaille. Prompt wurde sie zur Juniorsportlerin des Jahres 2021 im Para- und im Gehörlosensport der Deutschen Sporthilfe gewählt. Bei den Deaflympics in Caxias do Sul, Brasilien, wurde sie im Mai 2022 Siebenkampf-Fünfte.
Implantate oder Hörgeräte werden bei den Wettbewerben der Gehörlosen nicht getragen. Eine Athletin wie Hannah hat dann objektiv keinen Vorteil. Wenn sie das Implantat abnimmt, „ist es ja dann ja so, dass ich gar nichts höre“. Wenn sie das Feld der Läuferinnen anführt, muss sie sich schon umdrehen und die Gegnerinnen im Augen behalten. Die heranlaufenden Tritte kann sie nicht hören.
Ohne Hörprothese in einen Wettbewerb zu gehen, hat für Hannah Peters auch etwas Gutes. „Dann ist die Konzentration meist höher. Ich bin ein Mensch, der dann lieber Stille und Ruhe hat und sich dann noch mal besser die Abläufe einprägen kann.“ Ebenso beim Training. „Da mache ich es auch häufiger so, dass ich mein Implantat ausmache. Dann habe ich keine Störgeräusche um mich herum und kann mich komplett auf mich selber, auf meinen Körper, auf meine Bewegung, auf die Latte im Hochsprung konzentrieren. Ich bin dann wirklich im Tunnel.“
„Wenn dann aber am Montag Tempoläufe anstehen, die dann auch noch in Spikes gelaufen werden, sind Wadenmuskelkater und Schmerzen nicht so das Beste.“ Wie regeneriert sich Hannah Peters dann? „Mit Spaziergehen.“
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