Rundum-Schutz
Wer krankgeschrieben ist, muss das Bett hüten und darf das Haus nicht verlassen. Das ist falsch! Auch bei einer Krankschreibung sind bestimmte Aktivitäten erlaubt. Was genau zulässig ist, hängt vom Gesundheitszustand und vom Rat des Arztes ab. Meistens ist sehr viel mehr erlaubt, als Arbeitnehmer denken.
Eine Krankschreibung bedeutet nicht zwangsläufig, den ganzen Tag das Bett hüten zu müssen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bezieht sich zunächst auf die Fähigkeit, der ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzukommen.
Grundsätzlich haben Kranke Pflichten. Diese ergeben sich aus dem Arbeitsrecht. Riskant wird es, wenn Krankgeschriebene etwas tun, was ihrem Gesundheitszustand bzw. ihrer Genesung schadet. Verboten sind deshalb alle Dinge, die sich mit einer Erkrankung nicht in Einklang bringen lassen und die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit verzögern. Das Arbeitsrecht verlangt, alles Mögliche für eine rasche Genesung zu tun.
Der Arzt und der Einzelfall entscheiden
Allzu konkret wird das Arbeitsrecht jedoch nicht. Was genau im Einzelfall erlaubt bzw. genesungsfördernd ist und welche Tätigkeiten die Genesung behindern, hängt von den Umständen ab. Grundsätzlich gilt, was der Arzt empfiehlt. Hat dieser nichts gegen einen Einkaufsbummel oder einen Kinobesuch einzuwenden, sind diese Tätigkeiten auch erlaubt.
Selbst dann, wenn Bettruhe verordnet wurde, sind bestimmte Aktivitäten erlaubt. Dazu gehört der Einkauf von Lebensmitteln oder der Gang zur Apotheke. Hier gilt der Grundsatz: Der Kranke muss sich im Zweifel auch allein verpflegen können. Bettruhe ist insbesondere bei Fieber angesagt. Bei Fieber sollten Arbeitnehmer es nach Möglichkeit sogar unterlassen, ihr Kind zur Kita zu bringen. Auch dies kann die Krankheit verschlimmern. Ohne Fieber kann auch ein Spaziergang genesungsfördernd sein.
Sogar Verreisen kann erlaubt sein. Das Hessische Landesarbeitsgericht entschied 2012 zugunsten eines Arbeitnehmers, dem durch seinen Arbeitgeber gekündigt worden war. Der Arbeitnehmer war krankgeschrieben und zu Genesung zu seinen Eltern gereist. Darin sahen die Richter keinen Verstoß gegen das Gebot des genesungsfördernden Verhaltens (AZ: 18 Sa 695/12).
Das Arbeitsgericht Berlin entschied im Jahr 2016, dass bei einer Krankschreibung auch der Besuch eines Abendstudiums zulässig sei. Ein solches Abendstudium war einem Angestellten durch seinen Arbeitgeber bewilligt worden. Als dieser es trotz Krankschreibung besuchte, folgte die Kündigung. Diese hob das Gericht auf.
Prinzipiell kann es sogar zulässig sein, während einer Krankschreibung im Hauptjob einen genehmigten Nebenjob auszuüben.
Ein Beispiel: Ein Angestellter kann seiner Haupttätigkeit als Verkäufer aufgrund einer Fußverletzung nicht nachkommen. Im Nebenjob ist der Angestellte für einen anderen Arbeitgeber in Heimarbeit tätig und übt Bürotätigkeiten ausschließlich im Sitzen aus. Diese Tätigkeit kann trotz der Fußverletzung ohne Verzögerung der Genesung ausgeübt werden.
Es versteht sich von selbst, dass die Ausübung einer Nebentätigkeit während einer Krankschreibung im Hauptjob schnell zu einer Belastung des Verhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden kann. Dies gilt auch, wenn Situationen zugelassen werden, die missverständlich aufgefasst werden können. Trinkt ein Arbeitnehmer abends in dem Restaurant Wein, in dem auch der Chef anwesend ist, könnte es zu einem solchen Missverständnis kommen.
Während bei akuten Infekten Sport in der Regel nicht erlaubt ist, kann sich dies bei psychischen Erkrankungen wie zum Beispiel Depressionen oder Burnout anders verhalten. Hier kann Sport sogar Bestandteil einer Therapie sein.
Weitere Pflichten des Kranken und Folgen von Verstößen
Ist ein Arbeitnehmer krankgeschrieben, muss er nicht zwingend für den Arbeitgeber erreichbar sein. Während der Arbeitsunfähigkeit besteht auch nicht ohne Weiteres eine Pflicht zu Krankengesprächen im Betrieb. Dennoch gelten verschiedene Treuepflichten gegenüber dem Arbeitgeber. Es ist deshalb empfehlenswert, während der Erkrankung erreichbar zu sein. Dies ist zum Beispiel wichtig, wenn eine Frage auftaucht, die nur der krankgeschriebene Mitarbeiter beantworten kann.
Verstößt ein krankgeschriebener Arbeitnehmer gegen seine Pflichten, kann der Arbeitgeber mit Kündigung oder Abmahnung reagieren. Allerdings muss der Arbeitgeber den Pflichtverstoß nachweisen. In der Praxis gelingt dies nur selten durch spektakuläre Beobachtungen durch einen Privatdetektiv. Viel häufiger verraten sich Arbeitnehmer bei Pflichtverstößen selbst. Ein klassisches Beispiel: Ein Angestellter lässt sich krankschreiben, um einige Tage zu verreisen. Am Reiseziel postet er ein einschlägiges Foto in sozialen Netzwerken.
Arbeitgeber dürfen die Erkrankungen ihrer Angestellten grundsätzlich kontrollieren. Hegt der Chef den Verdacht, dass eine Krankheit nur vorgetäuscht ist, kann der medizinische Dienst der Krankenkasse eingeschaltet werden. Dieser erstellt anschließend ein eigenes ärztliches Gutachten.
Auch die Kontrolle durch den Chef höchstpersönlich oder andere Angestellte ist möglich. Stellt sich heraus, dass die Krankheit gar nicht existiert, kann eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden. Angestellte sollten in diesem Fall sofort juristischen Rat suchen.
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