Krisen bewältigen und Hoffnung schaffen

An einerr Holzwand hängen von Kindernngemalte Bilder
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Abenteuer Alltag
Lesezeit: 5-6 Minuten

The Human Safety Net in Zei­ten des Krie­ges in der Ukraine

Am 24. Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine. Seitdem haben viele Millionen Ukrainer ihr Land verlassen. Über eine Million geflüchtete Ukrainer, hauptsächlich Frauen und Kinder, befinden sich aktuell in Deutschland.  Diese Menschen mussten nicht nur ihre eigenen Erlebnisse und Erfahrungen auf der Flucht verarbeiten, sondern mit einem stetigen Strom von aufreibenden und bedrohlichen Nachrichten aus ihrer Heimat zurechtkommen, die sie über Telegram und andere digitale Kanäle erreichten. Und trotz der beispiellosen Solidarität aus der deutschen Zivilgesellschaft brachte die Ankunft der ukrainischen Geflüchteten den sozialen Sektor in Deutschland an die Grenzen seiner Belastbarkeit.

Wie haben wir reagiert?

Innerhalb von weniger als 6 Wochen nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs startete unser Projekt „Psychosoziale Begleitung von geflüchteten Familien in Deutschland“ gemeinsam mit lokalen Caritas-Verbänden. In Köln, München, Stuttgart und Aachen starteten wir unterschiedliche Projekte, um ukrainischen Eltern und ihren kleinen Kindern Anlaufstellen und Begleitung in der Traumabewältigung zu geben. Jeder Standort war hierbei frei in der Entscheidung, welche Aktivitäten am besten für die Lage vor Ort geeignet waren. Die Situation der geflüchteten ukrainischen Familien in Deutschland zeichnete sich durch hohe Belastungen, Krisen und Konfliktsituationen aus. Die Familien hatten ihre Heimat verloren und lebten seit Wochen unter dramatischen Umständen. Die Versorgung und Erziehung der Kinder und Säuglinge sowie die Bewältigung des Familienalltages waren nur erschwert möglich.
 
The Human Safety Net förderte jeden Standort mit 25.000€, die schnell und unbürokratisch ausgezahlt wurden. Das Besondere hierbei: Von diesen Geldern konnten auch Personalkosten für beispielsweise Psychologen oder Kunsttherapeuten gezahlt werden. Natürlich benötigten viele Geflüchtete zunächst Sachspenden, doch diese lassen sich meist viel einfacher bereitstellen als eine dringend notwendige psycho-soziale Betreuung. Für The Human Safety Net liegt der Fokus auf der positiven Eltern-Kind-Beziehung und daher ist es essenziell wichtig, dass qualifizierte Pädagogen und Psychologen Unterstützung in so einer gravierenden Krisen-Situation geben konnten.

Was haben wir erreicht?

In den vier Städten haben unsere Partner über einen Zeitraum von knapp 2 Jahren über 400 Eltern und Kinder begleitet. Mit den Fördermitteln wurden zum Beispiel Betreuungsangebots für die Kinder wie auch für ihre Eltern geschaffen. So konnten die Kinder beobachtet und mit den Eltern in persönlichen Gesprächen der individuelle pädagogische und psychologische Betreuungsbedarf festgestellt werden. Traumata konnten identifiziert und individuell behandelt werden. Bei schweren Krisen oder anderen nicht klärbaren Problemen wurden die Familien an andere Stellen vermittelt und so der Eintritt in die komplexen deutschen Unterstützungssysteme vereinfacht.

Köln

In Bensberg bei Köln haben wir als Generali Konzern die Räumlichkeiten unserer eigenen Akademie für ukrainische Flüchtlingsfamilien geöffnet. Ergänzend zur psycho-sozialen Begleitung haben sich knapp 40 unserer Kolleg*innen am Standort Köln über Monate hinweg sehr engagiert um die 42 geflüchteten Erwachsenen und Kinder vor Ort gekümmert. Es gab vielseitige Unterstützung bei Behördengängen, bei Arztbesuchen oder auch der Suche nach einer langfristigen Unterkunft. Beim gemeinsamen Zoobesuch an Ostern, Bastelnachmittagen vor Ort oder beim Picknick konnten die ukrainischen Familien für einige Stunden ein bisschen Normalität und Freude erfahren.

Ich möchte mich für den tollen Tag bedanken! Die Emotionen schlagen hoch!!! Danke, dass du mir die Möglichkeit gegeben hast, mich abzulenken und all die schlechten Dinge zu vergessen, besonders für die Kinder. Bei dir fühle ich mich sicher. Dank für die Sorge.

Ukrainische Mutter in Köln

Aachen & Stutt­gart

Ganz praktische Hilfe wurde in Aachen vom dortigen Caritasverband umgesetzt. Dort wurden an zwei Standorten Sprachcafés für Mütter mit Kindern angeboten. Das Angebot hat die Geflüchteten konkret und unmittelbar nach ihrer Ankunft in Deutschland unterstützt und gab Ansatzpunkte für Beratung und weitere Schritte bei der Integration.

Ähnliche Aktivitäten wurden auch in Stuttgart umgesetzt. Zusätzlich waren in Stuttgart die Volunteers von The Human Safety Net sehr aktiv und haben tausende Hygieneartikel für die neuangekommenen Flüchtlingsfamilien gesammelt.

Es freut mich riesig, wie kurzfristig und zahlreich viele Kolleg*innen aus der KD Stuttgart unserem THSN-Spendenaufruf gefolgt sind und Sachspenden für die geflüchteten Familien aus der Ukraine abgegeben haben.

Mandy Weiser

Generali Deutschland AG, Leitung Kundendirektion Stuttgart & THSN Ambassadorin 2022 & 2023

Mün­chen

Besonders hervorheben wollen wir ein Projekt in München zur Förderung der psychischen Gesundheit für ukrainische Frauen und Kinder. Hierbei wurde psychologische Unterstützung durch kreative Therapieansätze gewährt. Die geförderten kunsttherapeutischen Workshops und die individuelle Beratung wurden sehr gut angenommen. Mit der Begleitung von Experten und parallellaufenden Einzelangeboten wurden diese kreativen Angebote ergänzt. Künstlerisch konnten Familien die Quellen ihrer Widerstandsfähigkeit verorten:

  • Was ist deine Superkraft?
  • Wo ist Ihr Glücksort?

…und die Kinder haben diese Fragen malerisch beantwortet.


Im Inter­view

Wir haben mit der Initiatorin des Projekts gesprochen: Nina Hartmann, Teamleitung des Fachbereichs Integration für den Landkreis München.


THSN: „Frau Hartmann, das Projekt Psychosoziale Begleitung von Geflüchteten in Deutschland ist nun beendet, auch in München. Wie geht es den Geflüchteten am Standort München?"

N. Hartmann: „Die ehemaligen Teilnehmenden der Workshops sind auf einem guten Weg, gleichzeitig haben sich im Verlauf der Zeit viele einzelne Krisen herauskristallisiert. Dies spiegelt unsere Erfahrung an verschiedenen Standorten wider: Einige Menschen sind gut vorangekommen und stabilisiert, andere sind in Krisen gefangen und benötigen verstärkt psychologische Beratung und Begleitung.“

THSN: „Welche Herausforderungen hatten die Familien Anfang 2022 und wie haben sich diese entwickelt?“

N. Hartmann: „Anfang 2022 ging es darum, sich praktisch in den Alltagsdingen zurechtzufinden und gleichzeitig die eigene Community zum Austausch zu haben. Die Workshops waren willkommene Treffpunkte für Austausch, Reflexion und Innehalten. Heute haben viele ihr Netzwerk gefunden und aufgebaut – sowohl die Kinder als auch die Eltern. Gleichzeitig sehen wir bei den Kindern weiterhin einen Bedarf für einen sicheren Ort mit kunsttherapeutischer Anregung.“

THSN: „Wie konnte das Kunsttherapieprojekt in München dabei helfen?“

N. Hartmann: „In den Kunsttherapiestunden konnten sich die Teilnehmenden an einem sicheren Ort öffnen und mit Themen beschäftigen, die sie belasteten. Gleichzeitig konnten mit den Kindern z. B. Themen wie Hoffnung, Heimat und Mut bearbeitet werden bzw. der Blick auf Schönes gerichtet werden. Die Workshops waren Momente des Durchatmens und Innehaltens mit kreativen Methoden. Kinder und Erwachsene erlebten das Gefühl von Gemeinschaft und gegenseitiger sozialer Unterstützung.“

THSN: „Werden diese Maßnahmen noch weitergeführt?“

N. Hartmann: „Es hat sich ein Anschluss-Projekt herauskristallisiert, da die Kinder weiterhin regelmäßig zum Kunstraum kommen wollten. Im Moment wird dieses wöchentliche Angebot von einer Ehrenamtlichen organisiert, die auch bei dem Kunsttherapie-Projekt dabei war. Insofern gibt es eine Fortsetzung und das Projekt ist nachhaltig und wird nachgefragt.“

Darya Dmytruk, Projektleiterin "Tut i Tam" über ihr Gemeinschaftsprojekt zwischen Caritas München und Caritas Kyiv

THSN: „Frau Dmytruk, welche andere Maßnahmen für ukrainische Familien in München gibt es aktuell noch und wie intensiv werden diese noch genutzt?“

D. Dmytruk: „Alle Maßnahmen zur Kriegsfolgenbewältigung sind und bleiben nach wie vor notwendig. Kinder sowie Erwachsene sind mehrfach traumatisiert, durch Krieg, Ereignisse in der Ukraine, die hier in Deutschland kaum vorstellbar sind, Flucht und die Notwendigkeit einer Integration in einer fremden Gesellschaft. Jede Familie ohne Ausnahmen trägt ihre eigene schwere Geschichte mit sich, die nicht in der Vergangenheit liegt, sondern in der Gegenwart.“

THSN: „Wie können wir helfen?“

D. Dmytruk: „Wir als Caritas passen unsere Dienste an neue Bedingungen und Zielgruppen an, entwickeln neue Projekte und Kooperationsprojekte. Unser Ziel ist es, Kindern und Erwachsenen zu helfen, ihren mentalen Zustand zu stabilisieren, den Kindern ihre Kindheit zurückzugeben und den Erwachsenen ein Stück psychische und physische Sicherheit zu bieten. Ob hier in Deutschland oder nach der Rückkehr in die Ukraine sollen Menschen in der Lage sein, ihr Leben gut führen zu können.“

THSN: „Wie integriert sind die Ukrainer in München? Studien zeigen, dass die Geflüchteten der Jahre 2015 und 2016 in Deutschland angekommen sind und die Zahl der Erwerbstätigen kontinuierlich steigt. Wie sieht die Situation für die ukrainischen Menschen in Deutschland aus?“

D. Dmytruk: „In jeder Gruppe gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, sich mit den gegebenen Umständen abzufinden. Als Mitarbeiterin der Caritas und Ukrainerin beobachte ich die Entwicklungen aus unmittelbarer Nähe. Je nach individueller Verfassung, Familiensituation und dem Grad der Traumatisierung integrieren sich Ukrainer*innen schneller oder langsamer und haben unterschiedliche Zukunftspläne. Einige sind bereits erwerbstätig oder befinden sich in fortgeschrittenen Deutschkursen. Abhängig von ihrer Lebensgeschichte planen einige der Geflüchteten, ihr Leben hier in Deutschland weiterzuführen. Ehrlicherweise muss man sagen, dass ein Großteil der Ukrainer*innen die Absicht hat, in die Ukraine zurückzukehren. Dies ist von verschiedenen Gründen geprägt, steht aber nicht im Wege, die deutsche Sprache und Kultur kennen zu lernen.“

Ein Krieg ist eine Zeit und ein Zustand, in dem keine Prognosen möglich sind. Unser Ziel ist es, Menschen dabei zu unterstützen, ihren mentalen Zustand und ihre Resilienz zu stärken.

Darya Dmytruk

Projektleiterin "Tut i Tam"

Per­sön­li­che Bera­tung

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