Überwinde dich: Profis im Turmspringen

Die Synchronspringerinnen Elena und Christina Wassen blicken vom Beckenrand in die Kamera
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Vom Zehnmeterturm hinunterspringen. Wer bekommt nicht schon bei der Vorstellung weiche Knie. Erst recht, wenn man oben steht und in die Tiefe blickt. Gehört Abenteuerlust dazu? Macht so ein Sprung superglücklich? Elena und Christina Wassen wissen es. Sie springen quasi beruflich vom Zehnmeterturm. Und vollführen in den wenigen Sekunden der Beschleunigung kunstvolle Figuren. Die Schwestern zählen zur Elite im Synchronspringen: Bei der Weltmeisterschaft 2022 in Budapest landeten sie auf Rang fünf, bei der Europameisterschaft in Rom sprangen sie zu Bronze. Es war ihre erste gemeinsame Medaille. In der Weltspitze springen nur wenige Athletinnen, Synchronspringen ist ein Sport, der enorme Körperbeherrschung fordert, dazu jedes Mal Überwindung kostet.

Wenn Elena zum ersten Mal in der neuen Saison auf dem Zehnmeterturm steht, ist sie immer noch nervös. Obwohl sie seit ihrer Kindheit leidenschaftlich gern ins Wasser springt. Seit zehn Jahren treiben sie und ihre ältere Schwester Christina den Sport professionell. „Wir springen nicht nur den ganzen Tag ins Wasser“, erklärt Elena.

Eine sehr ästhe­ti­sche Sport­art

Die allgemeine Vorstellung davon, was Wasserspringen ist, sei eindimensional. Dahinter verbirgt sich ein facettenreiches Training, erzählen Christina und Elena. Es umfasst Akrobatik, Ballett, Trampolin, Krafttraining, Bodenturnen und viele Dehnübungen. Das gefällt den Schwestern am besten am Wasserspringen: die Vielseitigkeit. Und was man aus diesen verschiedenen Einflüssen ins Private mitnimmt.

Um seine Ziele zu erreichen, muss man sich täglich mehrfach überwinden.

Portraitaufnahme von Synchronspringerin Christina Wassen

Christina Wassen

Medaillengewinnerin im Synchronspringen

Für Elena sind das Aspekte wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Teamfähigkeit. „Ich finde, dass man sich in einem sportlichen Umfeld sehr gut weiterentwickeln kann.“ Ihre Schwester Christina sieht das ähnlich, sie schätzt vor allem, wie sie durch den Sport über sich hinauswachsen konnte. Durch die Herausforderungen, die der Leistungssport mit sich bringt, haben die beiden gelernt, in sich selbst zu vertrauen – besonders in den Momenten, in denen sie ihre Komfortzone verlassen mussten.

Christina entdeckte die Leidenschaft für das Wasserspringen mit vier Jahren im Baesweiler Schwimmbad, als sie vom Dreimeterbrett springen wollte. Ihre Brüder machten es vor und sie wollte beweisen, dass die kleine Schwester so etwas auch kann. „Meine Mama hatte damals mehr Angst als ich. Ich glaube, sie hatte die Hoffnung, dass es mir so viel Angst macht, dass ich gar nicht runterspringen will. Aber das hat nicht funktioniert – in dem Moment hatte ich einfach nur Spaß.“

Portraitaufnahme von Synchronspringerin Christina Wassen
Portraitaufnahme von Synchronspringerin Elena Wassen

Christina trainierte Wasserspringen in einem Verein, Elena folgte ein paar Jahre später nach. Gemeinsam gingen die Schwestern auf ein Sportinternat in Berlin, da war Christina gerade einmal vierzehn Jahre alt und Elena zwölf. Keine leichte Entscheidung, die Familie in Aachen in diesem Alter zu verlassen.

„Ich glaube, dadurch, dass die Schwester dabei war und somit ein Teil der Familie, war es für mich leichter“, sagt Elena. Christina ging es genauso. Der Rückhalt, den die Schwester und die Trainer vor Ort ihr boten, gemeinsam mit der Bestärkung durch die Familie in der Ferne, hat ihr vor allem geholfen, den Sprung vom Zehnmeterbrett überhaupt erst zu wagen.

Für ihr Privatleben nimmt sie dieses Zutrauen aus dem Sport mit: „Man hat immer irgendeine Hürde vor sich und ist unsicher, ob man sie überwinden kann. Ich glaube aber, mit den richtigen Partnern an seiner Seite kann man sich alles zutrauen. Selbst wenn man sich überwindet und irgendwas schiefgeht, wird man immer noch aufgefangen.“

Elena und Christina Wassen beim Stretching
Elena und Christina Wassen bei der Wettkampfvorbereitung

Durch Selbst­ver­trauen wach­sen

Die Routine des Trainings spielt bei den Schwestern selbstverständlich eine große Rolle. Je öfter sie von dem hohen Turm springen, desto normaler wird es für sie. Dennoch gibt es neue Herausforderungen, etwa wenn sie neue Sprünge lernen. Auch das kostet sie „sehr, sehr viel Überwindung“. Aber die wird belohnt, wie Christina meint: „Wenn alles gut gelaufen ist, fällt eine große Last von einem. Man ist stolz, weil man sich überwunden und es geschafft hat. Danach weiß man: Okay, ich bin körperlich und psychisch in der Lage dazu. Und dann wird an bestimmten Dingen gefeilt, dass es am Ende nicht nur die Überwindung ist, sondern Perfektion entsteht.“

Angst zu überwinden kann lustvoll sein. So sehen es Psychologen. Da werde Dopamin ausgeschüttet, das Glückshormon. Die Angst zu suchen und sich von ihr zu befreien, sei urmenschliches Verhalten. Elena empfindet ähnlich: „Ich denke, Überwindung ist immer wichtig, um überhaupt im Leben weiterzukommen. Man hat immer irgendwo seine Grenzen und muss aus seiner Komfortzone rauskommen, um sich weiterentwickeln zu können.“ Was sich nach Tiefenpsychologie anhört, ist für die Wassen-Schwestern ihre geliebte Leidenschaft.

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